Geschichte der Politik: Alte und Neue Wege

Geschichte der Politik: Alte und Neue Wege

Organisatoren
Hans-Christof Kraus (München); Thomas Nicklas (Erlangen)
Ort
Bad Staffelstein
Land
Deutschland
Vom - Bis
01.10.2004 - 03.10.2004
Url der Konferenzwebsite
Von
Philipp Menger, Universität Stuttgart

Vom 01. bis zum 03. Oktober 2004 fand auf Kloster Banz mit Unterstützung der Hanns-Seidel-Stiftung unter der Leitung und Organisation von Hans-Christof Kraus (München) und Thomas Nicklas (Erlangen) eine Tagung zum Thema "Geschichte der Politik: Alte und Neue Wege." Statt. Zum einen sollte es auf der Konferenz darum gehen, angesichts einer immer größer werdenden Unschärfe einen für die historische Analyse brauchbaren Begriff der Politik zu finden. Zum anderen - daran anschließend - wurde beabsichtigt, eine Brücke zwischen den Disziplinen der Geschichte der Frühen und der Späten Neuzeit zu schlagen.

In insgesamt acht Sektionen wurde dieses Vorhaben an verschiedenen Beispielen aus der Frühen Neuzeit und der Neuesten Geschichte umgesetzt. Dabei waren die Sektionen überwiegend paritätisch mit einem Vertreter der jeweiligen Epoche besetzt.

In seiner Einleitung wies Hans-Christof Kraus auf die zentralen Anliegen der Tagung hin: es gehe darum, einer Marginalisierung der Politikgeschichte entgegenzuwirken, ebenso die Tendenz zur Abkapselung der Teildisziplinen zu vermeiden und schließlich auch darum, Methode und Praxis der Sozial- und der Kulturgeschichte auf ihre Brauchbarkeit für die Politikgeschichte kritisch zu prüfen. Die Politikgeschichte stehe vor der Herausforderung kulturalistischer Ansätze, die in ihrer radikalen Variante die Redundanz der Politikgeschichte propagierten und, in ihrer weniger radikalen Form, immer noch danach trachteten, sich die Politikgeschichte einzuverleiben. Im Verlauf der Tagung sollte es nun darum gehen, diese neueren Ansätze auf ihren "Gebrauchswert" für die Politikgeschichte zu überprüfen.

Die erste Sektion behandelte das Sujet der "Politischen Biographik". In seinem Vortag verteidigte Hans-Christof Kraus die Möglichkeit, "Geschichte als Lebensgeschichte" zu schreiben. Die gegenwärtige Lage der "Politischen Biographik" zeige sich einigermaßen paradox: neben einer großen Menge neuerer Biographien stehen wenige Qualifikationsarbeiten. Eine besonders weitgehende Kritik äußerte Pierre Bourdieu an dem Konzept der Biographie, er attestierte ihr eine rein konstruierte Linearität in der Lebensbeschreibung, hinter der lediglich das Interesse an Sinngebung stecke. Der Mensch sei im wesentlichen nichts weiter als ein sozial konstruiertes Wesen, nur sein Name verbürge seine Einheit und Identität. Dagegen wandte Kraus ein, daß eine Reduktion des Menschen zu einen "nominalen Punkt" im sozialen Raum, wie sie Bourdieu vornehme, nicht haltbar sei. Die Einheit der Persönlichkeit als unmittelbare Erfahrungstatsache sei ebenso wenig zu leugnen wie die Tatsache, daß Persönlichkeiten in der Lage seien, konkret in Situationen handelnd aktiv zu werden und diese Situationen auch zu verändern.

Guido Müller (Stuttgart/Aachen) verdeutlichte am Beispiel der Biographie von Theodor Heuss das Verhältnis von Moral und Politik. Heuss habe versucht, die beiden Bereiche miteinander zu verbinden, wobei er sich gegen die im 20. Jahrhundert vorherrschende Trennung von Moral und Politik wandte. Heuss' Rede zum 10. Jahrestag des 20. Juli 1944 stand hierbei neben der Auseinandersetzung um die Zustimmung des Reichstags zum "Ermächtigungsgesetz" von 1933 und der Frage der Wiedergutmachung an den Juden im Vordergrund. Heuss' Moral-Vorstellungen ließen sich als "Mut zur Selbstreflexion" oder "intellektuelle Redlichkeit" beschreiben, die sich im Spannungsfeld zwischen innerer und äußerer Freiheit vollziehe.

Die zweite Sektion widmete sich dem Thema "Frieden und Konflikt".
Andreas Rödder (Stuttgart) näherte sich dem Verhältnis von Außenpolitik und Gesellschaft anhand des Testfalles des NATO-Doppelbeschlusses, bei dem Gesellschaft und Politik ungewöhnlich kontrovers aufeinandergetroffen seien. Die Glaubwürdigkeit der NATO traf auf massive Bedenken in bestimmten Gesellschaftskreisen. Vermittelnd zwischen der Ebene des internationalen Systems und der Ebene der nationalen Gesellschaft habe sich die Bundesregierung behaupten müssen. Im Ergebnis sei es zu einer vollständigen Umsetzung der Forderungen der NATO gekommen. Die Handlungsspielräume der Bundesregierung waren demnach im Konfliktfall erheblichen Beschränkungen unterworfen gewesen. Die Protestbewegungen unterlagen völlig und blieben in dieser Frage gänzlich ohne Einfluß. So widerspreche der empirische Befund in dieser Frage der These von der gesellschaftlichen Bedingtheit der Außenpolitik. Abstand von der "alten" Politikgeschichte müsse man aber nicht nehmen, vielmehr plädierte Rödder für eine "undogmatische Multiperspektivität" in der Geschichtsschreibung.

"Krieg und Frieden in der Vormoderne" lautete der Titel des Vortrags von Axel Gotthard (Erlangen-Nürnberg). Er betonte die strukturellen Unterschiede zwischen der Vormoderne und der Moderne. In ersterer sei der Krieg noch eine große Fehde gewesen, zudem habe es kein Gewaltmonopol der öffentlichen Hand gegeben, welches sich erst ab dem 16. Jahrhundert entwickelt habe. In der Vormoderne könne der Krieg beinahe als Normalzustand gesehen werden, in dem sich die meisten Länder den Großteil der Zeit befanden. Da über Krieg und Frieden ausschließlich in den privilegierten Schichten entschieden wurde, waren gesellschaftliche Einflüsse von vornherein ausgeschlossen. Im weiteren Verlauf nahm Gotthard die Tendenz zur Säkularisierung des Krieges in den Blick, den er insbesondere am Beispiel des Dreissigjährigen Krieges verdeutlichte. Er forderte eine archivalisch gestützte Ideen- und Mentalitätsgeschichte des Krieges, und seiner entscheidenden Protagonisten.

"Monarchische Politik" stand im Blickfeld der dritten Sektion. Frank-Lothar Kroll (Chemnitz) stellte Überlegungen zu "Legitimationsstrategien monarchischer Eliten im Europa des 19. und frühen 20. Jahrhunderts" an. Diesen attestierte er eine "geübte Ritenanpassung" und bemühte zur Erklärung dieses Phänomens kulturgeschichtliche und diskursgeschichtliche Theorieelemente, indem er die monarchischen Anteile an der Konstruktion kollektiver Identitäten und ihre symbolische Dimension herausarbeitete. Bis 1848 hätten transnational orientierte Anpassungsversuche vorgeherrscht, etwa in der verbreiteten öffentlichen Inszenierung des "Bürgerkönigtum"-Ideals, womit eine symbolische Anpassung an den Werthorizont der Bürger vorgenommen worden sei. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts habe sich dann das Erfolgsmodell "monarchischer Nationalismus" als Strategie durchgesetzt und zum Schulterschluß von Nation und Monarchie geführt, vermittelt durch Inszenierung und Zelebrierung. Den in der Moderne gefährdeten Herrschaftsanspruch habe man dann durch Verbrüderung mit und Annäherung an die Nation zu kompensieren versucht. Um den Preis sinkender politischer Macht konnte so in der "Monarchischen Politik" symbolische Bedeutung gewonnen werden. Allerdings fiel so die zwischenstaatlich vermittelnde Funktion der Monarchen weg, die als "Sinnbilder nationaler Identitäten" dann den Weg in den Krieg in vorderster Reihe beschritten.

Matthias Stickler (Würzburg) wandte darauf den Blick auf das Haus Habsburg im 19. und 20. Jahrhundert. Dieses sei ein außergewöhnlicher Fall, da die von ihm regierten Länder nie zu einem Nationalstaat geworden seien - vielmehr war die Dynastie die Klammer zwischen Österreich und Ungarn. Sie geriet somit auch in keine Legitimationskrise vor dem Ersten Weltkrieg. Nach dem Untergang des Reiches habe sich das Haus, wenn auch nur unter Schwierigkeiten, behaupten können. Dem Desinteresse der Historiker stehe bis heute ein großes Bedürfnis der Öffentlichkeit nach Information gegenüber. Stickler schloß mit der Feststellung, daß eine politikgeschichtliche Untersuchung der bis 1918 regierenden Dynastien wünschenswert und lohnend sei.

Die vierte Sektion behandelte die Geschichte des Parlamentarismus. Manfred Kittel (München) stellte grundlegende Überlegungen zur Geschichte des Reichstages in der Weimarer Republik anhand zweier neuerer Studien an. Viel Bewegung sei in die Erforschung des Reichstages gekommen, so kontrastierte er exemplarisch eine Studie zur Kommunikation innerhalb des Reichstags mit einer zur Funktion der Institution. Besonders lohnend sei der transnationale Vergleich mit anderen europäischen Parlamenten.

Thomas Nicklas (Erlangen-Nürnberg) stellte ständeparlamentarische Versammlungen in der Frühen Neuzeit in den Vordergrund. Daß in der Frühen Neuzeit das Monopol des Politischen beim jeweiligen Fürsten lag und einzig eine schmale Kaste von ehrgeizigen Juristen an Entscheidungen über Krieg und Frieden teilhaben konnte, dürfe nicht dazu führen, ständeparlamentarische Versammlungen als nicht-politische Institutionen zu verstehen. Auf der Ebene ständeparlamentarischer Versammlungen differenzierte er zwischen Reichs- und Kreistagen. Auf ersteren fand man Reichspolitiker nicht-fürstlichen Ranges, die als "Techniker der Politik" wegen oft mangelnder Sachkenntnis der Fürsten dazu beitrugen, daß sich der Staat von den Fürsten löste. Zur Erklärung der Funktion der Kreistage helfe ein Vorgehen, das nur Verfahren in den Blick nehme und nicht auch Entscheidungen berücksichtige, nicht weiter. Für eine solche Vorgehensweise müsse die Existenz einer Verfahrensöffentlichkeit vorausgesetzt werden, die es aber erst seit dem 18. Jahrhundert gebe. Nicklas forderte eine "Methodenlehre des Politischen", die sowohl Fragen nach Machtstrategie und -taktik beachte, als auch solche nach der Sprache. So sei die zeremonielle Zeichensprache nur verständlich, wenn man die ihr zugrunde liegenden Machtstrukturen erkenne.

"Militärgeschichte als politische Geschichte" lautete das Thema der mit drei Referenten stärksten Sektion. Michael Hochedlinger (Wien) sprach sich in seinem Beitrag für eine "Machtstaatsgeschichte der Frühen Neuzeit" aus. Als "Machtstaat" verstand er den geschichtlichen Niederschlag des frühneuzeitlichen Mächtesystems in all seinen Facetten, in der Einheit von Innen- und Außenpolitik, wobei die Innenpolitik außenpolitischem Druck untergeordnet bleibe. Konsequenzen daraus seien: Zentralisierung, die Etablierung einer Verwaltung, Steuerdruck und Disziplinierung. Manifest seien diese Tendenzen in der Verstaatlichung des Militärs geworden. Die Endstufe der Staatsverdichtung werde im aufgeklärten Absolutismus erreicht, hier sei das Potential, Kriege zu führen, maximiert worden. Hochedlinger plädierte für eine Betrachtung der gesamten Staatstätigkeit, die auch die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen der Militarisierung mit in den Blick nehme.

Günther Kronenbitter (Augsburg) beleuchtete das Verhältnis zwischen Militär und Politik. Im "Zeitalter des Militärischen" (Clausewitz) zwischen Französischer Revolution und Erstem Weltkrieg sei die Historiographie nur dann an kriegerischen Vorgängen interessiert gewesen, wenn sie in die Meistererzählung der Nationsbildung paßten. Das Gebiet der Operationsgeschichte diente der militärischen Ausbildung und war daher das Feld der militärischen Historiographie. Kaum besser zeige sich das Bild der modernen deutschen Militärgeschichte, die es in zwei Ausprägungen gebe: eine betrachte Militär als soziale Organisation im Frieden und blende damit den Krieg systematisch aus, die zweite konzentriere sich auf die Kriegskultur, wobei sie als zentralen Begriff den der "Erfahrung" wähle. Damit werden politische Aspekte von vornherein ausgeschlossen. Kronenbitter schloß, daß gerade auch außenpolitische und strategische Aspekte in die Untersuchungen mit eingeschlossen werden müssen. Um aber das Militär als "professionelles Werkzeug" in der Hand politisch Handelnder zu untersuchen, sei eine nähere Kenntnis des Militärs Voraussetzung.

Dem Problem der "Militärgeschichte ohne Krieg" näherte sich dann Sönke Neitzel (Mainz) in seiner kritischen Positionsbestimmung der Militärgeschichte. Er vertrat die These, daß die um Kultur- und Alltagsgeschichte erweiterte Methodik zu einer Marginalisierung bewährter Forschungsfelder und klassischer Ansätze - bis hin zur Ausblendung des Kernbereiches des Krieges, den Feldzügen und Schlachten - führe, ein Übriges tue da eine "unwissenschaftliche Emotionalität der Historiker", eigene Wertesysteme würden schlicht auf das Untersuchungsobjekt übertragen. Es fehle zudem häufig an Kenntnis militärischer Grundbegriffe und Vertrautheit mit den Quellen. Kulturgeschichtlichen Ansätzen käme das große Verdienst zu, das Feld durch neue Fragen und Methoden zu beleben, allerdings ergäben sie, allein angewandt, ein verzerrtes Bild. Eine Synthese beider Ansätze steht noch aus.

Diese Synthese kann eher anhand des Felds der Internationalen Beziehungen beobachtet werden. Eckart Conze (Marburg) betrachtete die Geschichte der internationalen Politik in thematischer, methodischer und theoretischer Erneuerung als Systemgeschichte. Staaten seien so nicht mehr die absoluten Akteure, sie würden als wandelbare Größen begriffen, deren innere Prozesse ebenfalls analysiert werden müßten. Das Staatensystem betrachtete Conze als ein System innerhalb des internationalen Systems, in dem es eine Vielzahl von Akteuren und Beziehungen in interdependenten Subsystemen gebe. Im Anschluß an Lepsius definierte Conze das Internationale System als "gedachte Ordnung", die kommunikativ vermittelt werde und so das Verhalten der Akteure präge. Die Gruppe der politischen Akteure umfasse auch zivilgesellschaftliche Gruppen. Um die Rolle und das Gewicht einzelner Akteure zu bestimmen, müsse unter anderem die Auswertung von Ego-Dokumenten erfolgen, um auch die Kategorie der "Erfahrung" einzuführen. So erweitere sich die Perspektive um ein biographisches Element, und das Verhältnis von Struktur/Prozeß und Handlung/Entscheidung könne eher bestimmen werden.

Sven Externbrink (Marburg) sprach über Internationale Politik in der Frühen Neuzeit und plädierte für eine Neugestaltung der Diplomatiegeschichte. Zunächst warf er einen Blick auf den Forschungsstand, wobei er seit den 90er Jahren eine Renaissance konstatierte, die insbesondere mit dem Namen Lucien Bélys und der Reihe "Nouvelle histoire des relations internationales" verbunden sei. Dann eröffnete Externbrink Perspektiven weiterer Forschungen, wobei es um die Frage ging, ob das Heilige Römische Reich Deutscher Nation ein Subsystem des internationalen Systems sei, vergleichbar mit der Stellung Italiens. Das internationale Staatensystem müsse als "reality of history" betrachtet werden.

Die Sektion "Verfassungs- und Institutionengeschichte" eröffnete Matthias Schnettger (Mainz) mit einem Beitrag über die Reichsverfassungsgeschichtsschreibung seit dem Zweiten Weltkrieg. Er stellte einen grundsätzlichen Wandel in der Bewertung des Reiches fest: hielt die ältere Forschung noch an einem unaufhebbaren Dualismus zwischen Kaiser und Ständen fest, womit die Geschichte des Alten Reiches als Verfallsgeschichte geschrieben wurde, so sei es durch Franz Schnabel, Max Braubach und ihre Schüler, die das Reich und seine Stellung in Europa in den Mittelpunkt ihres Interesses rückten, zu einer Umdeutung gekommen. In den 1970er Jahren sei dann insbesondere der Reichstag und die Kurfürsten, aber auch die Reichsverfassung in das Blickfeld gerückt. Volker Press habe das Reich als politisches System gesehen - eine These, die von Georg Schmidt zur Deutung des Reiches als "komplementärem Reichsstaat" fortgeführt wurde, womit Schmidt die Diskussion um die Bewertung des Reiches erneut anstieß. Aus der Verfallsgeschichte sei so eine Integrationsgeschichte geworden.

Bernhard Löffler (Passau) regte an, moderne Institutionengeschichte in kulturgeschichtlicher Erweiterung zu schreiben. Damit stieß er in den "harten Kern" der Politikgeschichte vor. Gerade die häufig ausgeblendete institutionelle Wirklichkeit biete einen Ansatzpunkt für kulturalistische Ansätze. Vier Thesen lagen seinem Referat zugrunde, die Löffler jeweils mit Beispielen aus der Geschichte der Bundesrepublik illustrierte. Zuerst liege die Untersuchung von Institutionen im Schnittfeld mehrerer Forschungsfelder und befördere damit ein interdisziplinäres Herangehen mit Ansätzen aus der Wirtschafts-, Sozial- und Politikwissenschaft, was zu einem weiteren Blick auch auf nichtstaatliche institutionelle Arrangements führe. Zweitens wurde im Anschluß an Ute Frevert, Wolfgang Reinhard und Michael Stolleis die Bedeutung von Institutionen auch durch ihre Organisationskultur bestimmt. Darüber hinaus müßten drittens auch informelle Bereiche der internen Handlungslogik berücksichtigt werden, um den zeitbedingten Wandel besser erfassen zu können. Viertens schließlich sollten Institutionen der zentrale Ausgangspunkt bleiben und nicht zum bloßen Anhängsel der Analyse werden, denn sie seien "Verweissysteme bestimmter allgemeiner Ideen".

Die letzte Sektion der Tagung beschäftigte sich mit politischer Ideengeschichte. Frank Kleinhagenbrock (Würzburg) fragte nach den "Ideen von 1648". Hierbei stieß er auf mehrere miteinander verbundene Problemkreise. Große Denker suche man vergebens, ebenso zentrale Ideengeber, dazu seien die Konflikte und Problemzusammenhänge des Westfälischen Friedens zu divergent gewesen. Dieses könne aber als ein Ansatzpunkt für neue Wege der Ideengeschichte dienen. Der Westfälische Friede werde später zu einem präsenten Element von politischen Ideen, seine Bewertungen unterlägen einem zeitbedingten Wandel von der kleindeutschen Deutung zur Revision dieses Bildes durch Franz Schnabel, Max Braubach und ihre Schüler. Insbesondere stellte Kleinhagenbrock das Verhältnis von Staat und Kirche in den Vordergrund. Unter den Stichworten "Toleranz" und "Religionsfreiheit" skizzierte er die politische Wirkungsgeschichte. Die politischen Ideen von 1648, so schloß er, seien nur im Kontext der spezifischen Entwicklung im Reich zu denken.

Friedrich Kießling (Erlangen-Nürnberg) kontrastierte diesen Vortrag mit einem Beitrag über die "Ideen von 1945" und fragte, wie Ideen in die Politik gelangen. Die politische Ideengeschichte charakterisierte er als eine Disziplin in Erneuerung und forderte zum einen eine Ausweitung der Quellengrundlage. Insbesondere die Bedeutung von "mittleren Texten", die "zwischen Kant und der Illustrierten" angesiedelt seien, gelte es zu beachten. Zum anderen müsse das Augenmerk auf die jeweiligen Kontexte, wie Erscheinungsort und -bedingungen sowie das mediale Umfeld gerichtet werden. Dies verdeutlichte er am Beispiel der "Frankfurter Hefte". Kießling stellte vier Modelle vor, Politik und Ideen miteinander in Verbindung zu bringen: das Modell der "Politischen Kultur", das einer an Akteuren orientierten Politikgeschichte, die "Cambridge School" und schließlich das einer kulturhistorischen Politikgeschichte. Die Verbindung dieser Modelle scheine vielversprechend, um die Rolle und Funktion politischer Ideen im politischen System zu bestimmen.

Aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln konnte ein gewinnbringender Blick auf die Geschichte der Politik geworfen werden. Den beiden (hoch-) gesteckten Zielen ist man auf diese Weise ein gutes Stück näher gekommen.

Die Beiträge werden in einem Tagungsband veröffentlicht.